„Nur zusammen können wir etwas erreichen“
Vom 13. bis 15. Februar 2025 öffnen die 17. Deutschen Kardiodiagnostiktage ihre Türen. Ihr Markenzeichen: Die konsequente Interdisziplinarität von Radiologie, Kardiologie, Nuklearmedizin und Herzchirurgie. Wie sich das im Programm zeigt und was Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische Technologinnen und Technologen für Radiologie (MTR) in Leipzig erwartet, berichten die wissenschaftlichen Leiter im Interview: Prof. Dr. Matthias Gutberlet (Herzzentrum Leipzig, Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie), PD Dr. Maximilian von Roeder (Herzzentrum Leipzig, Universitätsklinik für Kardiologie), PD Dr. Christian Lücke (Herzzentrum Leipzig, Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie) und Prof. Dr. Holger Thiele (Herzzentrum Leipzig, Universitätsklinik für Kardiologie).
Die 17. Deutschen Kardiodiagnostiktage bringen in Leipzig wieder fachübergreifend Expertinnen und Experten rund ums Herz zusammen. Gibt es 2025 besondere Schwerpunkte?
Prof. Dr. Holger Thiele Thiele: Wir widmen uns natürlich auch 2025 den neuen Leitlinien. Dieses Mal sind sie von besonderer Bedeutung, weil mit der koronaren Herzerkrankung und der Leitlinie zum chronischen Koronarsyndrom der European Society of Cardiology (ESC) eine der größten Patientengruppen im Fokus steht...
Von Roeder: ... und dazu kommt die arterielle Hypertonie – auch mit einer neuen ESC-Leitlinie. Damit nehmen wir also zwei große Patientengruppen in den Blick.
Gutberlet: Einen weiteren Schwerpunkt wollen wir auf die weitere Förderung der nichtärztlichen Berufe legen – etwa mit der Zertifizierung der MTR. Noch stärker als bisher möchten wir auf unserer Präsenzveranstaltung den Austausch und Dialog untereinander fördern, sodass anhand von konkreten Fallbeispielen und Problemen auch die neuen Leitlinien besprochen werden sollen. Das gilt für alle unsere Referentinnen und Referenten, ganz besonders jedoch bei den MTR-Sessions.
Zum Programm und zur Registrierung gelangen Sie hier: Deutsche Kardiodiagnostik-Tage |
Was zeichnet denn die Kardiodiagnostiktage im Vergleich zu anderen radiologischen oder kardiologischen Fortbildungsveranstaltungen aus?
Prof. Dr. Matthias Gutberlet Gutberlet: Die Kardiodiagnostiktage sind nach wie vor im deutschsprachigen Raum, vielleicht sogar in ganz Europa, die einzige wirklich konsequent interdisziplinäre Veranstaltung in diesem Bereich. Das war von Anfang an so geplant. Die Expertise aus Kardiologie und Radiologie, aber auch die Nuklearmedizin haben wir in allen Kursen und Sessions dabei, ebenso wie oftmals die herzchirurgische Perspektive. Alle diese Fachleute sind bis heute bei der Stange geblieben. Und das in Zeiten, wo es berufspolitisch insbesondere um das Koronar-CT Wirbel gab, was die Zusammenarbeit vermeintlich erschwert. Aber wir bleiben der Interdisziplinarität treu und werden sie auch 2025 bei der 17. Veranstaltung konsequent umsetzen, weil wir nur zusammen etwas erreichen können. Wir bleiben breit aufgestellt und nähern uns den Fragestellungen mit allen Expertisen, die dabei eine Rolle spielen.
In diesem Jahr bieten Sie Masterkurse an. Können Sie näher auf deren Inhalte eingehen?
Gutberlet: Diese Masterkurse wurden von der Deutschen Röntgengesellschaft neu initiiert. Das Besondere: Der Gedanke dahinter, dass wir mehr praxisbezogene Ausbildung brauchen, die möglichst multimodal sein sollte. Nun ist es natürlich so, dass bestimmte Krankheitsbilder einen Modalitäten-Schwerpunkt haben, insbesondere die koronare Herzerkrankung. Da steht als die „first-line“-Methode die CT im Vordergrund. Dennoch kommt auch die MRT bei diesem Krankheitsbild zum Einsatz, vor allem zur Differentialdiagnose...
Von Roeder: ...ebenso wie Stress-Echo, die Myokard-SPECT oder der Herzkatheter.
Gutberlet: Genau. Der erste Track von zwei Masterkursen ist gleichzeitig ein Level-2-Kurs mit CT-Schwerpunkt für Kardiologinnen und Kardiologen. Das gilt für den „Masterkurs Koronare Herzerkrankung” und den “Masterkurs Präinterventionelle Planung”. In letzterem steht die Planung des großen Gebiets „vor Transkatheterklappenersatz” im Mittelpunkt. Auch dabei spielt primär die CT die Hauptrolle, im Zweifel kommen aber auch Ultraschall und MRT zum Einsatz.
Die anderen beiden Masterkurse, die wir anbieten, haben einen MRT-Schwerpunkt. Sie können deswegen auch als Level-2-Kurse mit Schwerpunkt MRT für die DGK-Zertifizierung angerechnet werden. Denn das MRT spielt eine zentrale Rolle bei den Themen Myokarditis und Kardiomyopathien. Praxisrelevanz und Multimodalität gelten aber für alle Kurse, denn natürlich können die anderen Modalitäten als Ausschlussverfahren oder in der Verlaufskontrolle ebenfalls wichtig sein.
Eine Stärke der Kardiodiagnostiktage sind die Workshops, die auch zunehmend KI-Anwendungen zeigen. Können Sie hierzu mehr erzählen?
PD Dr. Christian Lücke Lücke: Dies sind Post-Processing-Workshops unter Einbeziehung von KI-Tools.
Darin stellen zwei Firmen am Beispiel konkreter Anwendungsfälle ihre jeweilige Post-Processing-Software vor. An den großen Fragestellungen wie myokardiales Mapping, Herzvolumetrie und der myokardialen Perfusionsanalyse, aber auch der präinterventionellen Planung vor TAVI oder sowie der Flussmessung zeigen die Hersteller ihre KI-unterstützten Lösungen.
Gutberlet: Diese Analysen sind auf konventionellem Wege sehr zeitintensiv.
Der Einsatz von KI-gestützten Lösungen soll künftig die Arbeit in der kardiovaskulären Diagnostik erleichtern. Das fängt an bei der Ventrikelsegmentierung, die man möglichst nur noch korrigieren möchte, geht weiter über die automatische Erkennung von anatomischen Landmarken, z. B. den großen Gefäßen, bis hin zur automatischen multiparametrischen Analyse von T1- und T2-Mappings – aber auch von Perfusionsbildern oder die assistierte Bestimmung von Shuntvolumina bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern.
Können die Teilnehmenden die Software auch selbst ausprobieren?
Lücke: Auf jeden Fall. In beiden Workshops, die teilweise parallel laufen, werden mit unterschiedlichen thematischen Gewichtungen Workstations zur Verfügung stehen. Es können etwa 20 Kolleginnen und Kollegen parallel „hands-on“ arbeiten, die Softwarelösung im Einsatz erleben und den Einfluss der erhobenen Parameter auf die Diagnosefindung erleben
Welche Neuigkeiten erwarten die Teilnehmenden darüber hinaus?
Gutberlet: Alle MTR-Workshops und MTR-Vorträge werden möglichst von einem Team aus einem Arzt bzw. einer Ärztin und einem bzw. einer MTR geleitet, um die Inhalte klar auf die MTR-Perspektive zu fokussieren.
Lücke: Wir versuchen zudem, das Programm noch praktischer zu gestalten. So wollen wir die Weiterbildungsplattform „conrad“ der DRG für MTR öffnen und während der Workshops zeigen. Die MTR können darin planen und mit den Datensätzen üben, beispielsweise die Schnittebenenplanung am MRT oder CT. Das lässt sich recht einfach gestalten, indem man entsprechende Datensätze integriert und die Möglichkeiten, die die Plattform per se schon bietet, für MTR optimiert.
Gutberlet: Dazu geben wir dann Fragestellungen mit, etwa: „Machen Sie eine Vierkammerblick-Rekonstruktion aus diesem CT-Datensatz" oder „Rekonstruieren Sie die rechte Koronararterie”. Das sind zwei Bausteine, mit denen wir mehr Praxisrelevanz in die Veranstaltungen integrieren möchten. Im gesamten Hauptprogramm wollen wir so fallbasiert wie möglich arbeiten. Daher bilden wir diverse Teams, die sich aus verschiedenen Disziplinen und Erfahrungsstufen zusammensetzen. In diesem Jahr wollen wir außerdem in noch mehr Sessions „live in the box“-Fälle integrieren.
PD Dr. Maximilian von Roeder Von Roeder: Damit wollen wir veranschaulichen, was das Resultat bzw. generell worin die Notwendigkeit von nicht-invasiven präinterventionellen Planungsuntersuchungen besteht. Es gibt ja viele Kolleginnen und Kollegen aus Kardiologie, Radiologie und Nuklearmedizin, die nicht interventionell arbeiten. Sie sollen sehen, wozu die Untersuchungen dienen, wie diese ganz praktisch funktionieren und was alles in der Vordiagnostik passiert, die dann in den „live in the Box“-Fällen mündet.
Sind diese „live in the Box“-Fälle besonders für Nachwuchskolleginnen und -kollegen interessant?
Von Roeder: Die Fälle sind für Anfängerinnen und Anfänger ebenso interessant wie für erfahrene Kolleginnen und Kollegen, weil sich das Feld immer weiterentwickelt. Wir wollen ja relativ neue Anwendungen zeigen: neue Klappenmodelle, neue Interventionen. Wir planen eine Session, die besonders für jüngere Kolleginnen und Kollegen interessant ist. Darin geht es um klassische Probleme, denen man als Anfänger oder Anfängerin begegnet. Für diese „Young Session” möchten wir Expertinnen und Experten gewinnen, die die Themen auf einfache Art und Weise näherbringen können.
Die Honorary Lecture wird Prof. Dr. Jeanette Schulz-Menger halten. Können Sie hierzu schon etwas verraten?
Thiele: Frau Prof. Schulz-Menger ist eine langjährige Begleiterin der Kardiodiagnostiktage und eine der Pionierinnen in der MRT für die Bereiche Kardiomyopathie und Myokarditis. Auf internationaler Ebene und als ehemalige Präsidentin der Society of Cardiovascular Magnetic Resonance (SCMR) hat sie eine herausragende Stellung inne. Das gilt nicht nur für die kardiologische Community: Manche Radiologinnen und Radiologen wissen gar nicht, dass sie eine Kardiologin ist, weil sie eigentlich fast nur noch in der Bildgebung aktiv ist. Ihren reichen Erfahrungsschatz wird sie in einem kurzen Vortrag mit uns teilen, in dem sie auch ihre Visionen für die kardiovaskuläre Bildgebung 2030 darstellen wird.
Haben Sie zum Abschluss noch eine persönliche Programm-Empfehlung?
Lücke: Neben der noch zunehmend fallbasierten Ausrichtung des gesamten Kongresses werden wir die eingereichten Fälle in das Practical Teaching integrieren, um den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zu geben, diese noch mehr im Detail vorzustellen und noch intensiver miteinander diskutieren zu können. Die wissenschaftlichen Postersessions wird es aber auch wieder geben.
Von Roeder: Ich persönlich freue mich sehr darauf, dass wir wieder die Chance haben, die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie aufzugreifen, weil uns das die Chance gibt, gemeinsam mit der Bildgebungs-Community die spezifischen Themen zu diskutieren. Den Austausch finde ich immer sehr fruchtbar, weil man Aspekte und Perspektiven entdeckt, die bisher unbeleuchtet geblieben sind. Auf den Austausch gespannt bin ich auch hinsichtlich der Koronar-CT. Wir in Leipzig haben aus meiner Sicht ein gutes Modell gefunden. Aber ich bin natürlich gespannt, was andere daraus machen.
Gutberlet: Ja, in diese Richtung geht es für mich auch. Was ich besonders hervorheben will, ist die Rolle der Nuklearmedizin, da sie auch zukünftig eine besondere, allerdings vielleicht auch etwas veränderte Bedeutung im ambulanten Setting bekommen wird. Aus meiner Sicht wird es künftig weniger KHK-Primärdiagnostik in der Nuklearmedizin geben, dafür aber einen verstärkten Einsatz nach einer CT-Koronarangiografie, wenn eine hämodynamische Relevanz nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Künftig wird sich also wahrscheinlich nicht die Gesamtzahl der Myokard-Szintigrafien ändern, aber die Art und Weise wie sie erbracht wird. Daher ist es wichtig, dass alle Fachleute aus der Kardiologie und der Radiologie Kenntnisse von der nuklearmedizinischen Welt haben, damit wir wissen, was sie leisten können. Gerade im Hinblick auf den GBA-Beschluss, dass die CT-Koronarangiografie GKV-Leistung wird, halte ich es für wichtig, die weiteren Methoden, die auch GKV-Leistungen sind, dazu gehört natürlich auch das Stress-Echo, mit all ihren Stärken und Schwächen zu kennen. Die Kardio-MRT ist es noch nicht, trotzdem bereiten wir die Kolleginnen und Kollegen natürlich schon einmal intensiv in den Kursen darauf vor.
Vielen Dank für das Gespräch!